Kümmert es euch? Wollt ihr das nicht mehr unterstützen? Wir machen da nicht mit!

Quelle ORF: http://www.orf.at/stories/2179575/2179576/

WIE SCHMUTZIG VIELE FIRMEN PRODUZIEREN FINDEST DU HIER

Der Einsturz eines achtstöckigen Fabriksgebäudes in der Hauptstadt Bangladeschs, Dhaka, bei dem über 390 Menschen ums Leben gekommen waren, hat eine neue Debatte über die mangelhaften Arbeitsbedingungen in dem verarmten Land ausgelöst. Doch auch nach der Katastrophe bleibt es bei bloßen Ankündigungen seitens der betroffenen Konzerne. Die Umsetzung lässt weiter auf sich warten.

„Die angekündigten Verbesserungen finden einfach nicht statt“, so Amirul Haque Amin, Präsident der Gewerkschaft von Arbeitern der Bekleidungsindustrie (National Garments Workers Federation, NGWF) in Bangladesch. „Die internationalen Konzerne behaupten eine Menge. Sie behaupten, dass sie sehr gute Richtlinien, ihren eigenen Verhaltenskodex und ihr eigenes Prüfungs- und Kontrollsystem haben,“ so Amin. „Trotzdem passieren weiter tragische Unfälle.“

Bisher haben sich internationale Marken und Handelsketten geweigert, ein Abkommen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken zu unterzeichnen. Stattdessen wurden der Fleckerlteppich an privaten Verhaltenskodizes, selbst durchgeführte Kontrollen und schwammig formulierte Initiativen zur Unternehmerischen Sozialverantwortung ausgeweitet.

41 Brände in den letzten Monaten

Laut Arbeitsrechtsorganisationen bringen diese vereinzelten Initiativen jedoch kaum etwas in einem Land, in dem selbst offizielle Untersuchungen der Behörden nur sehr locker durchgeführt werden und die Fabriksbesitzer enge Verbindungen zu Regierungsbeamten pflegen. 25.000 Fabriken aller Branchen im ganzen Land stehen gerade einmal 90 Arbeitsinspektoren gegenüber.

Allein in den vergangenen fünf Monaten ist es zu über 41 Brandzwischenfällen in Textilfabriken gekommen. Grund sind meist mangelhafte Elektroinstallationen, was in Kombination mit dem leicht brennbaren Stoffen in den Hallen schnell zu Bränden führt. Dabei wurden insgesamt neun Arbeiter getötet und über 660 verletzt. Arbeitgebervertreter bestreiten die Zahlen.

Kluft zwischen Firmenkodizes und Realität

In Bangladesch stürzen zudem immer wieder Häuser ein, weil bei der oft illegalen Errichtung grundlegende Sicherheitsvorschriften missachtet werden. Die Gebäude unterstehen keinerlei Kontrollen. In der Textilindustrie ist die Lage besonders dramatisch, weil die Betreiber der Produktionsstätten unter enormem Kostendruck stehen.

Der Einsturz einer achtstöckigen Textilfabrik in Dhaka, wo unter anderem für Mango, Benetton und die britische Kette Primark produziert wurde, war das bisher schlimmste Unglück dieser Art. Es ist abermals auf mangelnde Sicherheitsvorkehrungen in der schnell wachsenden und auch politisch sehr mächtigen Bekleidungsindustrie in Bangladesch zurückzuführen. Die Katastrophe zeigt besonders tragisch, wie groß die Kluft zwischen den firmeneigenen Programmen für soziale Verantwortung und der Realität eigentlich ist.

Weiter Worte, statt Taten

Auf die Frage von ORF.at, ob ein Unterzeichnen des Abkommens in nächster Zeit geplant ist, verwiesen etwa die Konzerne H&M und C&A auf laufende Gespräche. Erst am Montag habe zum Thema „Gebäudesicherheit und Brandschutz“ ein Branchentreffen von Unternehmen, Arbeitsrechtsgruppen und Nichtregierungsorganisationen in Frankfurt stattgefunden. Ziel sei das Erarbeiten eines neuen gemeinsamen Abkommens aller Beteiligten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Bangladesch. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, ist nicht bekannt. Primark und KIK gaben hingegen gegenüber ORF.at keine Stellungnahme ab.

 

Reuters/Andrew Biraj

Näherinnen einer Bekleidungsfabrik in Bangladesch

Undurchsichtige Herstellungskette

Ein zentrales Thema bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Fabriken ist die Frage, welche Verantwortung die internationalen Handelsketten, die hier herstellen lassen, dabei tragen. Denn diese wälzen die Kontrolle der Arbeitsbedingungen oftmals auf ihre Fertiger ab, die wiederum eine Vielzahl kleinerer Subunternehmer beschäftigen. Diese Aufteilung des Produktionsprozesses macht die Umgehung von Arbeitsbestimmungen leichter, eine Überprüfung wird quasi unmöglich.

Derart wissen Markeninhaber oftmals nicht, in welchen Verhältnissen ihre Produkte entstehen. Experten werfen den Konzernen allerdings vor, es gar nicht so genau wissen zu wollen. „Wenn man Design, Qualität und Liefertermin seiner Ware bestimmt, sollte man auch wissen, wo und wie man sie herstellt“, so Michaela Königshofer von der österreichischen Clean-Clothes-Kampagne gegenüber ORF.at.

Unabhängige Inspektoren gefordert

Arbeitnehmergruppen in Bangladesch sind überzeugt, dass es einen Weg aus dem Arbeitselend gibt. Ein entsprechender neunseitiger Sicherheitsentwurf wurde demnach bereits von einheimischen und internationalen Gewerkschaften unterschrieben. Der Plan würde die bisherigen Inspektionen der Behörden, die unregelmäßig vorgenommen werden und leicht über Bestechung zu umgehen sind, durch eine unabhängige Prüfung für alle Fabriken in Bangladesch ersetzen.

Bei Nichteinhaltung des Abkommens, das auch noch von den Zulieferern und Auftraggebern unterzeichnet werden soll, wäre dieses dann auch einklagbar. So könnten unsichere Fabriken geschlossen und Strafen verhängt werden. Die Kontrollen sollen nach Vorstellung der Gewerkschafter von den Unternehmen selbst mit bis zu 500.000 Dollar im Jahr finanziert werden.

Zweitgrößte Textilindustrie weltweit

Der Sicherheitsplan wurde bereits 2011 bei einem Treffen vieler der weltgrößten Bekleidungsmarken und Handelsketten in Dhaka vorgestellt. Doch die Konzerne wie Wal-Mart, H&M und Gap lehnten eine Unterstützung des Entwurfs als „finanziell nicht machbar“ ab.

Die Bekleidungsindustrie setzt weltweit eine Billion Dollar im Jahr um. Bangladesch hat mit einem Umsatz von 20 Milliarden Dollar im Jahr die zweitgrößte Textilindustrie weltweit. Rund 80 Prozent der Exporte des Landes fallen auf den Sektor. In den 4.500 Textilfabriken im Land arbeiten über zwei Millionen Angestellte.

30 Euro im Monat bei 60- bis 70-Stunden-Woche

Die meist weiblichen Arbeiter verdienen im Monat knapp 30 Euro bei einer 60- bis 70-Stunden-Woche. Sie wohnen in kleinen Wellblech- oder Bambusbaracken auf Stelzen direkt über kleinen Tümpeln in der Stadt, da es dort am günstigsten ist. Kinderbetreuung gibt es keine. Entweder lassen die Mütter ihre Kinder auf dem Land bei Verwandten zurück oder sie nehmen sie mit in die Stadt und überlassen sie quasi sich selbst. „Da passen dann Vierjährige auf Babys auf“, so Königshofer gegenüber ORF.at.

 

AP/A.M. Ahad

Arbeiter in einer Fabrik in Dhaka

Markenhersteller scheuen Mehrkosten

Nach einer Brandkatastrophe im November des Vorjahres, bei der 118 Arbeiter einer Kleiderfabrik ums Leben gekommen waren, unternahmen die Arbeitsrechtsorganisationen einen erneuten Anlauf, das Abkommen durchzusetzen. Abermals ohne Erfolg. „Wir begrüßen alles, was gut für die Bekleidungsindustrie und ihre Arbeiter hier ist“, so der frühere Vizepräsident des Bangladeschischen Hersteller- und Exporteursverbands, Siddiqur Rahman. Es seien nicht die Fabriken, die das Abkommen blockierten, sondern deren Kunden - die großen Markenhersteller -, welche die Mehrkosten nicht bezahlen wollten.

Neben dem Sicherheitsproblem ist vor allem die schlechte Bezahlung eines der drängendsten Probleme in Bangladesch, so Königshofer. Ein Monatslohn von 30 Euro sei selbst in Bangladesch zu wenig, um seine alltäglichen Kosten zu bestreiten. „Wir fordern einen existenzsichernden Lohn, der nicht nur die Kosten für die Ernährung einer Familie abdeckt, sondern darüber hinaus auch für Bildung, Miete, Medikamente reicht.“ Dafür müsste das Gehalt in etwa doppelt so hoch sein.

Was Europas Kunden tun können

Bleibt die Frage, was europäische Konsumenten tun können, um ihren Teil zur Verbesserung der Produktionsbedingungen in der Textilbranche beizutragen. Keine Kleidung mehr bei den betreffenden Modeketten zu kaufen, sei jedenfalls keine Lösung, so Königshofer von Clean Clothes. „Es geht nicht um den Boykott, es geht darum, die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards durchzusetzen.“

Für die Frauen in Bangladesch sei ein Job in der Bekleidungsindustrie sehr wichtig, da es einer der wenigen Sektoren ist, in denen Frauen Geld verdienen können. Als Alternative gäbe es nur das Arbeiten als Haushälterin und Reinigungskraft oder den Einstieg in die Prostitution. Sie rät Kunden dazu, die Produktionsprozesse bei den Handelsketten direkt zu hinterfragen, um den Firmen zu zeigen, dass es einem nicht egal ist, wo und wie die Kleidung erzeugt wird. „Die Unternehmen legen Wert auf die öffentliche Meinung, der Einzelne hat hier durchaus Macht“, so Königshofer.

Unterstützung sei auch mit der Unterzeichnung von Petitionen für bessere Arbeitsbedingungen möglich. Um herauszufinden, wer zumindest die „Besseren unter den Schlechten“ sind, verweist Königshofer auf den Firmencheck auf der Website von Clean Clothes, der zeigt, welche Firmen sich zumindest kooperativ bei der Verbesserung der Arbeitsstandards zeigen.

Bitte geben Sie die Zeichenfolge in das nachfolgende Textfeld ein

Die mit einem * markierten Felder sind Pflichtfelder.